C. Opitz-Belakhal: Böse Weiber

Cover
Titel
Böse Weiber. Wissen und Geschlecht in der Dämonologie der Frühen Neuzeit


Autor(en)
Opitz-Belakhal, Claudia
Erschienen
Sulzbach/Taunus 2017: Ulrike Helmer Verlag
Anzahl Seiten
209 S.
von
Nadine Amsler, Département d'histoire, Université de Fribourg

Im vorzustellenden Buch vereint die Basler Frühneuzeit-Historikerin Claudia Opitz-Belakhal ihre geschlechtergeschichtlichen Aufsätze zur frühneuzeitlichen Dämonologie in einem Band. In acht bereits publizierten, für den Band leicht aktualisierten Beiträgen sowie zwei neu geschriebenen Kapiteln geht sie der Frage nach der geschlechtlichen Codierung des dämonologischen Diskurses und dessen Verschränkung mit der zeitgenössischen Querelle des femmes nach. Im Zentrum des Interesses stehen dabei bekannte dämonologische Schriften wie der Hexenhammer aus der Feder des Dominikaners Heinrich Institoris sowie Jean Bodins Aufruf zur Hexenverfolgung, die zusammen mit den Schriften von Verfolgungsgegnern wie etwa Johann Weyer und Christian Thomasius gelesen werden.

Die ersten zwei Kapitel des Bandes geben einen Überblick über das Feld der Hexenforschung und führen an die geschlechtergeschichtlich perspektivierte Erforschung der Thematik heran. Opitz interessiert sich dabei für die Frage nach den «Voraussetzungen und Dynamiken [...] [aufgrund derer] die Hexenverfolgung vor allem zu einer Verfolgung von Frauen [wurde]» (S. 29). In Abgrenzung zu Autoren wie etwa Stuart Clark gesteht Opitz dabei der Dämonologie im von der Forschung herausgearbeiteten Ursachengeflecht eine durchaus wichtige Rolle zu: «Dämonologische Texte [...] sollten explizit in der Gesellschaft wirken – und haben das leider auch getan» (S. 13). Auch wenn die folgenden Beiträge diese Wirkungszusammenhänge nicht im Detail belegen, so präsentieren sie doch eine multiperspektivische Analyse der geschlechtlichen Codierung dämonologischer Schriften. Die Kapitel 3 bis 5 zeigen am Beispiel des Hexenhammers (Malleus maleficarum, 1487), dass die Bewertung des weiblichen Geschlechts darin eine zentrale Rolle spielt. Das Buch könne deshalb auch als ein Beitrag zur Querelle des femmes verstanden werden (Kapitel 3). Jean Delumeau, der die misogyne Stossrichtung des Hexenhammers als Beleg einer «krisenhaften, fragilen Männlichkeit» (S. 60) gedeutet habe, widerspricht Opitz hingegen. Vielmehr sieht sie Institoris’ Werk als Ausdruck einer tiefen Sorge um das Sakrament der Ehe (Kapitel 5). Sowohl den Hexenhammer wie auch Bodins De la démonomanie des sorciers (1580) liest Opitz als Texte, die eine ganz bestimmte Gruppe von Herrschaftsträgern – Inquisitoren, Magistraten und Richter – in ihrer Rolle als Hexenverfolger stärken sollten und somit auch eine politische Dimension hatten (Kapitel 4 und 6).

Mehrere Kapitel interpretieren Schriften von Verfolgungsbefürwortern in Verschränkung mit den Texten von Verfolgungsgegnern. Kapitel 7 zeigt etwa, dass bezüglich der physiologischen Grundannahmen keineswegs Einstimmigkeit unter den Gelehrten herrschte. So deutete der Arzt und Verfolgungsgegner Johann Weyer Hexerei als auf Melancholie zurückzuführende Einbildungen alter Frauen, während andererseits Jean Bodin der Ansicht war, dass Frauen aufgrund ihrer kalten und feuchten Komplexion gar nicht an Melancholie leiden könnten. Dass der Schlagabtausch zwischen einzelnen Autoren in diesen Debatten auch mit gegenderten Zuschreibungen operierte, zeigt das Kapitel 9. So diffamierte Bodin den in seiner Schrift angegriffenen Weyer als «effeminiert» und «sodomitisch». Nicht nur beim Sprechen über Frauen, sondern auch unter den gelehrten männlichen Autoren war Geschlecht ein wichtiges strukturierendes Element.

Durch den gesamten Band zieht sich die Frage nach der Rolle misogyner – also Frauen abwertender – Rede in den Hexenverfolgungen. Opitz kommt dabei zum ernüchternden Befund, dass sich Misogynie über beinahe alle Sprecherpositionen verteilt wiederfindet: Ob der eigentlich als «Frauenfreund» bekannte Agrippa von Nettesheim, der dezidierte Verfolgungsgegner Johann Weyer oder der aufgeklärte Denker Christian Thomasius – sie alle bedienten sich in ihren Texten misogyner Argumente, die zwar weniger krude gewesen sein mögen als die Argumente eines Heinrich Institoris, aber gleichwohl deutlich in einer «frauenfeindlichen Tradition» (S. 55) standen. Es scheint, dass «misogyne Stereotypen besonders wirksam erschienen, da sie einerseits stände- und konfessionenübergreifend verfügbar waren und andererseits insbesondere den gelehrten Diskurs schon von alters her begleiteten und strukturierten.» (S. 133) Diese Befunde relativieren Opitz’ Ausgangsthese der Wirkmacht dämonologischer Texte nicht an und für sich, zeigen aber, dass es schwierig sein dürfte, einen Kausalzusammenhang zwischen der Misogynie dämonologischer Schriften und dem hohen Frauenanteil bei den während der Hexenverfolgungen angeklagten und verurteilten Menschen herzustellen.

Es ist zu begrüssen, dass mit dem vorliegenden Band vormals auf verschiedene Sammelbände und Zeitschriften verteilte, aber eng aufeinander bezogene Beiträge nun in kompakter Form verfügbar sind. Getrübt wird das Bild etwas durch die sich daraus ergebenden zahlreichen Wiederholungen zwischen den Kapiteln. Da es sich vorwiegend um Beiträge aus den 2000er Jahren handelt, wurde auch die neueste Sekundärliteratur nur ausschnittweise rezipiert. Insgesamt bietet das schlanke, gut verständliche Buch aber einen wertvollen Überblick über die geschlechtergeschichtlichen Aspekte der frühneuzeitlichen Dämonologie, der sich auch als Einstiegslektüre für Studierende in das Feld der Hexenforschung eignen dürfte.

Zitierweise:
Amsler, Nadine: Rezension zu: Opitz-Belakhal, Claudia: Böse Weiber. Wissen und Geschlecht in der Dämonologie der Frühen Neuzeit, Sulzbach/Taunus 2017. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 71 (1), 2021, S. 170-171. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00080>.